Studie der Leuphana Universität Lüneburg zeigt: Energiepolitik der Bundesregierung gefährdet die Existenz der Bürgerenergie

Berlin, 07.04.2014: Heute kommt noch nahezu jede zweite Kilowattstunde Ökostrom aus Anlagen, die Bürgern gehören. Doch wenn es nach der Bundesregierung geht, könnte der Boom der Bürgerenergie ein rasches Ende finden.

Dies belegt eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg, die heute in Berlin vorgestellt wird. Sie zeigt, dass die Bürgerenergie-Akteure wie Bürgerenergiegenossenschaften, Bürgerwindparkbetreiber oder auch Privatpersonen  mehr als jedes andere Marktsegment der Energiewirtschaft von den geplanten Änderungen im Erneuerbaren-Energie-Gesetz betroffen wäre. „Der Grund ist, dass Bürger, die ihr Geld in erneuerbare Energien investieren, für ihre Projekte besonders auf Bankkredite  angewiesen sind. Darin unterscheiden sie sich von großen Energiekonzernen“, führt Studienautor Heinrich Degenhart, Professor für Finanzierung und Finanzwirtschaft an der Leuphana Universität Lüneburg aus. „Die von der Bundesregierung geplanten Änderungen belasten die Bürgerprojekte mit zusätzlichen Kosten und Risiken. Dadurch wird die projektbezogene Finanzierung schwieriger und teurer. Viele Bürgerenergie-Akteure haben in ihren Finanzierungsplänen kaum einen Spielraum, um mit diesen zusätzlichen Risiken und Kosten umzugehen.“

Nach den vorgelegten Analysen sind zwei politisch gewollte Entwicklungen besonders bedrohlich. Die Bundesregierung möchte einerseits Erzeuger von erneuerbaren Strom dazu bringen, die Vermarktung ihres Stroms an die Vorgaben des Spotmarkts der Strombörse in Paris auszurichten. Das macht Bürgerenergie-Akteure von hochspezialisierten Vermarktungsunternehmen abhängig. „Unsere Markterhebung zeigt, dass Unsere Markterhebung zeigt, dass aufgrund der geringen Größe Bürgerenergie-akteure für die Vermarktungsunternehmen nicht besonders attraktiv sind. Es ist daher zu erwarten, dass sie von den Vermarktern zuletzt und mit den schlechtesten Konditionen bedient werden. Die Folge: Bürgerenergie wird es sehr schwer haben, sich auf dem Markt zu behaupten“, so Degenhart.

Noch dramatischer sehen die Experten die zweite drohende Entwicklung. Spätestens ab 2017 soll nur noch der Marktteilnehmer Erneuerbare-Energie-Anlagen errichten dürfen, der in einer Ausschreibung den Zuschlag erhält. Dies könnte das endgültige Aus für Bürgerenergie bedeuten. „Die volkswirtschaftliche Logik und alle Erfahrungen aus der Praxis anderer Länder zeigen: Ausschreibungen begünstigen die größten Anbieter. Denn mit einer Ausschreibung entstehen Transaktionskosten und Risiken, die größere Anbieter leichter abfangen können. Bürgerenergie-Akteure gehören hingegen zu den kleinsten Marktteilnehmern. Sie können weder die  Risiken streuen oder durch eigenes großes Kapital sichern noch die höheren Transaktionskosten zwischenfinanzieren. Bürgerenergie wird daher kaum eine Chance haben, sich in einem Ausschreibungssystem gegen die viel größeren Konkurrenten durchzusetzen“, betont Lars Holstenkamp von der Leuphana Universität Lüneburg, ein Mitautor der Studie.

Dabei zeigt die Untersuchung auch: Zahlreiche Bürgerenergiegesellschaften haben längst alternative Geschäftsmodelle aufgebaut. Sie beruhen nicht mehr auf der traditionellen Förderlogik des EEG, nach der für jede erzeugte Kilowattstunde ein Festpreis gezahlt wird. Vielmehr beliefern vor allem Energiegenossenschaften direkt Kunden aus ihrer Region. „Zahlreiche Bürgerenergiegenossenschaften bieten solche Modelle heute schon an. Eine große Zahl arbeitet an ihrer Umsetzung“, so Heinrich Degenhart. „Doch die Bundesregierung plant, diesen Strom in Zukunft mit der vollen EEG-Umlage zu belasten. Damit haben die Modelle  keine wirtschaftliche Grundlage mehr“.

Für die Auftraggeber der Studie, das Bündnis Bürgerenergie und den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland liegen die politischen Schlussfolgerungen auf der Hand.
„Als Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland steht für uns fest: Die Energiewende muss eine Bürgerenergiewende bleiben. Nur dann kommen wir schnellstmöglich weg von Atom und Kohle. Energie in Bürgerhand garantiert eine von allen akzeptierte und sozial verträgliche Gestaltung der Energiewende. Daher muss auch in Zukunft gelten: Vorfahrt für die Energiewende von unten“, so Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.

René Mono, Vorstand des Bündnis Bürgerenergie pflichtet dem bei: „Bürgerenergie ist der Marktführer der Energiewende, und soll es auch bleiben. Die Energiewende ist zu wichtig, um sie den großen Konzernen zu überlassen. Für uns ist vor allem wichtig, dass die Bundesregierung endlich ein Marktumfeld entwickelt, in dem sich Bürgerenergie weiter dynamisch entwickeln kann. Denn dezentrale erneuerbare Energien sind längst konkurrenzfähig – vorausgesetzt, der Wettbewerb ist fair und nicht durch Subventionen für alte Atom- oder Kohlekraftwerke verzerrt.“

Hier finden sie die aktuelle Pressemitteilung sowie die Studie als PDF.