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Bericht vom 3. Bürgerenergie-Konvent, 16. und 17. September 2016

Bürgerenergie hat Zukunft. Und wie! Das war der 3. Bürgerenergie-Konvent des Bündnis Bürgerenergie e.V.:

Beim dritten Bürgerenergie-Konvent des Bündnis Bürgerenergie e.V. trafen sich die Freundinnen und Freunde einer dezentralen, bürgernahen Energiewende unweit des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie in Berlin. Lesen Sie im Folgenden den Bericht von der zweitägigen Veranstaltung. In der Leiste links finden Sie, sofern diese verfügbar sind, Materialien zu den einzelnen Vorträgen - klicken Sie dazu einfach auf die einzelnen Vorträge.

Zu Beginn machte Prof. Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin und BBEn-Ratsmitglied, die unentbehrliche Rolle der Bürgerenergie für Energiewende und Klimaschutz klar. Allen Ärger, den die Bürgerenergie seit der letzten EEG-Novelle reichlich mit sich trägt, münzte Volker Quaschning bei seinem kämpferischen Vortrag in einen leidenschaftlichen Appell an die Berliner Energiepolitik um. Eine deutliche Mehrheit der BürgerInnen fordere effektiven Klimaschutz von der Bundesregierung. Diese aber führe die Energiewende viel zu langsam durch und schikaniere die Bürgerenergie, so Quaschning. Bei den Konvent-TeilnehmerInnen erntete Quaschning begeisterte Zustimmung.

Auf der Suche nach dem "Speck im System": Staatsekretär wirbt für das neue EEG

Auch Staatssekretär Rainer Baake hatte sich den Vortrag Quaschnings angehört. Er war der Einladung des Bündnis Bürgerenergie zu einem offenen Diskussionsforum über die Zukunft der Bürgerenergie gefolgt. Nun trat er einem  Teilnehmerkreis kritischer Bürgerenergie-Aktiver gegenüber, die sich in Quaschnings Vortrag erneut bestätigt gefunden hatten. Die Regierung habe den Bürgerenergiegesellschaften einiges zugemutet, nämlich Veränderung, eröffnete Staatssekretär Baake seinen Vortrag: "Das war unvermeidlich." Die deutsche Energiewende sei eine große Erfolgsgeschichte. Nun sei angestanden, die Erneuerbaren in den Markt zu integrieren. „Energiewende wird nur mit Wettbewerb funktionieren“. Und der funktioniere untereinander, wie die Pilotausschreibungen von PV-Freiflächenanlagen zeigten. Mittlerweile würden die ersten Anlagen für unter 7 Cent angeboten. Da müsse noch „einiges an Speck“ im System gewesen sein.

Außerdem gebe es einen verzerrten Wettbewerb, weil bei Atom- und Kohlekraftwerken die externen Kosten überhaupt nicht eingerechnet werden. "Die Atmosphäre wird als kostenlose Deponie für Kohlendioxid genutzt", gestand auch Baake ein. Doch werde die Internalisierung der externen Kosten bei den Fossilen nicht kommen: darauf würde sich die Politik in Europa nicht einigen. Baakes Exit-Strategie für die fossilen Energien ist eine Dekarbonisierung auf ordnungsrechtlichem Weg: "Völliger Verzicht auf fossile Investitionen, die über 2050 hinausgehen."

Eine Verordnung zum Mieterstrom werde es noch in dieser Legislaturperiode geben, so Baake. Dabei sei wichtig, dass die Vergünstigungen auch bei den Mietern ankommen und nicht bei den Vermietern. Schon jetzt würde es zahlreiche erfolgreiche Mieterstrommodelle geben, zeichnete er ein rosiges Bild. Dass Mieterstrommodelle sehr aufwändig und von Bürgerenergiegesellschaften nur mit viel ehrenamtlichem Aufwand umgesetzt worden sind, verschwieg Baake.

Intensive Diskussion mit den EnergiebürgerInnnen

Baakes Vortrag war eine Steilvorlage für die intensive und stellenweise hitzige Diskussion mit den EnergiebürgerInnen, die sich anschloss. Auf den "Speck im System" sprach eine ehemalige Mitarbeiterin eines Solarunternehmens Baake direkt an. Eine solche Aussage sei zynisch angesichts des Verlustes von über 70.000 Arbeitsplätzen in der Solarbranche in den letzten Jahren. "Oder sind diese alle an Verfettung gestorben?" Sie und andere Diskutanten kritisierten, dass der Ausbau der Erneuerbaren stark gedeckelt wird und der Solarausbau in den letzten Jahren zusammengebrochen ist. Deutschland baue die Erneuerbarenviel zu wenig  aus, um auch nur annähernd die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.

Länger als vereinbart stellte sich der spürbar um Fassung bemühte Staatsekretär in Dialogen den Fragen der EnergiebürgerInnen. In der Diskussion wie auch im Vortrag wurde erneut klar, wie zentralistisch und bürgerfern die Erneuerbaren-Politik der Bundesregierung geprägt ist. Die polarisierte Atmosphäre ließ abermals deutlich werden, dass für die Bundesregierung abstrakte und realitätsferne Marktkonzepte mehr gelten als das lokale und ganz konkrete Engagement hunderttausender EnergiebürgerInnen, die sich täglich dem Wettbewerb stellen.

Perspektiven für die Bürgerenergie - lokal, regional, in Bund & EU

Doch nicht nur die ärgerliche Auseinandersetzung mit der verfehlten EE-Politik der Bundesregierung sollte den Konvent prägen: den Konvent-TeilnehmerInnen war es wichtig, die Chancen und Herausforderungen ihrer ureigenen, "selbstgemachten" Energiewende zu prüfen und zu verbessern. Hierzu boten die Impulsvorträge "Perspektiven für die Bürgerenergie - lokal, regional, in Bund & EU" den ersten Ansatzpunkt.

Den Auftakt für die Bundes- und EU-Ebene machten Dr. Julia Verlinden, Bundestagsabgeordnete der Grünen und BBEn-Mitglied, gemeinsam mit Marcel Keiffenheim, Aufsichtsrat beim BBEn und Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy eG. Verlinden rief die Bürgerenergiegesellschaften dazu auf, sich nicht gänzlich von den Ausschreibungen ausbremsen zu lassen. Sie machte den EnergiebürgerInnen Mut, ihre Projekte trotz der neuen Widrigkeiten mit der finanziellen oder organisatorischen Hilfe von Partnern zu realisieren. Darüber hinaus böten sich für Bürgerenergie-Akteure Möglichkeiten im Wärmesektor oder im Feld der Energieeffizienz. Keiffenheim betrachtete in seinem Vortrag die Chancen der Bürgerenergie aus europäischer Perspektive. Mit dem "Winter-Paket" würde in wenigen Monaten eine große Zahl neuer Verordnungen und Rahmenbedingungen für den Energiesektor auf den Weg gebracht: "Da gilt es jetzt, Selbstversorger-Rechte einzufordern – und bei diesem Thema ist Brüssel durchaus offen."

Von Chancen auf regionaler und lokaler Ebene berichteten die folgenden Vorträge. Dr. Christina Chudoba von der Lumenaza GmbH ging auf die Chancen regionalen Grünstrommarketings ein. Im Anschluss machte Nicolai Ferchl von der Heidelberger Energiegenossenschaft den TeilnehmerInnen seine umfassenden Kenntnisse in der Umsetzung von Mieterstromprojekten deutlich - angesichts der vom Bundeswirtschaftsministerium angekündigten Verordnung ein besonders gefragtes Thema auf dem Konvent.

Offen für die Zukunft: Ideen für die Bürgerenergie auf der Open Stage

Beim schon traditionellen Programmpunkt Open Stage übernahmen fünf TeilnehmerInnen des Konvents die Bühne. Sie hatten sich im Vorfeld für einen Beitrag bei der Veranstaltung beworben und bereicherten jetzt mit ihren Erfahrungen und Ideen das Plenum. Dietrich v. Tengg-Kobligk berichtete als Genosse der Rehfelde EigenEnergie eG von den Herausforderungen, vor denen die Genossenschaft angesichts des EEG steht, und skizzierte die Bewältigungsstragien seiner Organisation. Dieter Brendahl, Mitglied der Solargenossenschaft Lausitz eG, stellte einen umfassenden Verbesserungsvorschlag für das EEG vor. Lisa Badum, Vorstand von Bürgerenergie Bayern e.V., warb am Beispiel des Produkts bavariastrom für eine offensive, kreative und intelligente Vermarktung von regionalem Strom. Stephan Franz vom Büro F sprach von den Chancen für Mieter- und Regionalstrom und last but not least stellte Frederick Schleunes von der Crowdfunding-Organisation LeihDeinerUmweltGeld mögliche Modelle der Zusammenarbeit zwischen Crowdinvestment und Energiegenossenschaften vor.

Bürgerenergie in der Werkstatt: Zusammen vorankommen

Was die Open-Stage-Vorträge schon vorbereitet hatten, machen die Workshops am zweiten Konvent-Tag zum Programm: hier sahen sich die Konvent-TeilnehmerInnen nicht Referenten-Vorträgen gegenüber, sondern tauschten sich mit anderen EnergiebürgerInnen in Arbeitsgruppen aus. Dabei wurde deutlich, wie vielfältig und stark die Bürgerenergie-Praxis ist.

So stellten im Workshop zum "Bremer Manifest", einer Initiative des Rates für Bürgerenergie des BBEn, Wolfgang Siegel und Malte Zieher die Start der Webseite des Manifests vor und ihre Konzepte zur Verbreitung des Projekts zur Diskussion.

Beate Petersen und Stefanie Usbeck machten ihn Ihrem Workshop die Verbindung von Aktivismus und Bürgerenergie deutlich: "Energiebürger sind Klimaaktivisten", so der Titel Ihres Vortrags. Am Beispiel von Filmen zum Kohlewiderstand und im Dialog mit dem Aktivisten Joshua Korhammer traten sie mit den Workshop-TeilnehmerInnen in eine Diskussion über die Möglichkeiten, Protest und Bürgerenergie-Praxis enger zu verzahnen.

Im Workshop "Ehrenamtliche Profis. Wie Energiegenossenschaften sich weiterentwickeln" ermöglichten Dr. Christian Lautermann von der Olegeno eG und Felix Schäfer von den Bürgerwerken ihren Workshop-TeilnehmerInnen eine fundierte Analyse der Stärken und Schwächen ihrer jeweiligen Genossenschaft und machten Mut für die kommenden Herausforderungen.

Auch der Workshop "Konflikte nutzen: Handlungsmöglichkeiten für Bürgerenergie in Konflikten" von Sören Becker, Forscher am IRS in Erkner, stellte die Herausforderungen vor, die EnergiebürgerInnen in lokalen Konflikten, beispielsweise mit GegnerInnen von EE-Neubauten, begegnen können, und diskutierte mit den TeilnehmerInnen typische Konfliktkonstellationen.

Viele Wege zur Energiedemokratie

Als Abschluss des Workshop-Vormittags trafen sich die TeilnehmerInnen der Arbeitskreise bei der Abschlussdiskussion "Wege zur Energiedemokratie" wieder. Im Dialog mit Luise Neumann-Cosel von Bürgerenergie Berlin, Prof. Volker Quaschning und René Mono trugen sie die Ergebnisse der Workshops zusammen und verschafften sich einen Überblick über die vielfältigen Beteiligungsmöglichkeiten in der demokratischen Energiewende.

Der Weg vieler EnergiebürgerInnen führte nach Abschluss der Diskussion zur Stop TTIP & CETA-Demonstration an den Berliner Alexanderplatz, welche zusammen mit anderen Demonstrationen in ganz Deutschland 320.000 Stimmen gegen CETA und TTIP versammelte. Grund genug für den Rat für Bürgerenergie, diesen Erfolg beim Screening von "POWER TO CHANGE – DieEnergieRebellion" zu feiern. Bei der anschließenden Diskussion war u.a. Gerhard Kreutz von der Energie-Initiative Kirchberg e.V., die den Film maßgeblich unterstützt hat, zugegen.