Studie: Ausschreibungen hemmen Bürgerenergie

Text und Fotos von Christoph Rasch, energy.aktuell.

Jetzt ist es auch wissenschaftlich belegt: Die geplanten Ausschreibungsregeln für neue Ökostromanlagen sind ein Hemmnis für die Bürgerbeteiligung bei der Energiewende. Dies ist das Ergebnis einer neuen Studie, die das Bündnis Bürgerenergie in Berlin vorstellte.
Es ist ein radikaler Umbau des Fördersystems für Erneuerbare: Neue Windkraft- oder Solaranlagen sollen künftig nur dann noch eine Vergütung erhalten, wenn sie sich im Zuge eines komplexen Ausschreibungsverfahrens gegen andere Bieter durchgesetzt haben. Details will das federführende Bundeswirtschaftsministerium demnächst in einem Eckpunktepapier veröffentlichen. Doch schon jetzt ist klar: Das Ausschreibungsmodell, das als Pilot bereits für Photovoltaik-Freiflächenanlagen existiert und auch für andere Ökostrom-Anlagen eingeführt werden soll, hat gravierende Auswirkungen auf die bisherigen Treiber der Energiewende in Deutschland – also auf lokale Bürgergesellschaften, kommunale Initiativen und Genossenschaften.

„Die durch Ausschreibungen entstehenden zahlreichen Hemmnisse und Markteintrittsbarrieren dürften die meisten Bürger vor Ort davon abhalten, überhaupt noch neue Projekte zu entwickeln. Damit wären viele Bürgerenergieprojekte gescheitert, bevor sie überhaupt gestartet sind“ sagte Marcel Keiffenheim, Aufsichtsrat des Bündnis Bürgerenergie e.V.  vor Journalisten in Berlin.

„Die kleinen, lokalen Akteure haben nicht deshalb das Nachsehen im Wettbewerb, weil sie per se teurer sind – sondern weil sie Kosten und finanzielle Risiken nicht auf viele Projekte streuen können“, ergänzte Rene Mono, Vorstand beim Bündnis Bürgerenergie (BBEn).  Sein Fazit: „Durch die Ausschreibungen verändert sich ganz grundsätzlich die Risikolandschaft für die Bürgerenergie.“

Das untermauert eine neue Studie, die das Bündnis Bürgerenergie beim Kieler Institut Energie- und KlimaPolitik (EnKliP) in Auftrag gegeben hat und die jetzt vorliegt. Die Studie zeigt: Sofern Bürgerenergieakteure nicht von der Verpflichtung befreit werden, an Ausschreibungen teilzunehmen, dürften viele kleinere Bürgerenergiegesellschaften keine Chance mehr haben, in einem Ausschreibungssystem erfolgreich zu sein. „Eine Bürgerenergie-Gesellschaft realisiert im Schnitt pro Jahr zwischen einem und drei Projekte“, sagt Studienleiter Uwe Nestle, „scheitert nur ein einziges Vorhaben, so kann dies bereits existenzbedrohend für den jeweiligen Akteur werden.“

Die neuen Risiken bestehen für die Bürger-Akteure vor allem darin, dass es diesen erschwert wird, Geld für geplante Anlagen einzusammeln, wenn wegen der Ausschreibungen nicht  feststeht ob, wann und in welcher Höhe diese eine Förderung erhalten. „Im Ausschreibungssystem ist klar vorgesehen, dass einige mitbietende Projekte keinen Zuschlag erhalten“, so Nestle. Zudem soll das  Ausschreibungsdesign auch Strafzahlungen bei Nichtrealisierung enthalten.

Welchen Ausweg schlägt der BBEn also für Bürgerenergie-Akteure vor? „Um bei der Umstellung auf Ausschreibungen erhebliche Nachteile für Bürgerenergieakteure gegenüber großen Marktplayern zu vermeiden, ist eine Abweichung vom Ausschreibungsprinzip für kleine Projektträger nötig“, sagte Keiffenheim, „dies ist gemäß der Vorgaben der EU-Kommission in ihren Beihilfeleitlinien für Energie und Umwelt EU-rechtskonform umzusetzen.“

Fotos: Christoph Rasch, Grafik: BBen e.V.

Pressemitteilung des BBEn vom 7.7.2015

Ausschreibungen sind Hemmnis für Bürgerbeteiligung bei der Energiewende

Bündnis Bürgerenergie fordert Bundesregierung auf, beim Erhalt der Akteursvielfalt am Energiemarkt Wort zu halten. Neue wissenschaftliche Expertise belegt kaum zu schulternde Risiken und Hemmnisse durch Ausschreibungen für Bürgerenergie und kleine Akteure.

Berlin, 07.07.2015: Die Bundesregierung bereitet derzeit den radikalen Umbau des Fördersystems für Erneuerbare Energien vor. Projekte sollen nur noch dann eine Vergütung erhalten, wenn sie sich im Zuge eines komplexen Ausschreibungsverfahrens gegen andere Bieter durchgesetzt haben. Alleiniges Kriterium soll dabei nach den aktuellen Planungen der Preis sein. In wenigen Tagen wird das Bundeswirtschaftsministerium zur anstehenden EEG-Reform ein Eckpunktepapier veröffentlichen.

Wie gravierend die Auswirkungen von Ausschreibungen für Bürgerenergie sind, verdeutlicht eine aktuelle wissenschaftliche Expertise im Auftrag des Bündnis Bürgerenergie. „Für Bürgerenergieakteure sind die mit der Umstellung auf ein Ausschreibungssystem einhergehenden zusätzlichen Investitionsrisiken und finanziellen und bürokratischen Anforderungen systematisch schlecht zu schultern. Denn kleine Akteure realisieren meist nur wenige Projekte vor Ort und verfügen nicht über die Möglichkeiten der Risikostreuung. Damit erhalten Bürgerenergieakteure bei Ausschreibungen erhebliche Nachteile gegenüber großen Marktakteuren“ betonte Uwe Nestle vom Büro Energie- und KlimaPolitik I Beratung (EnKliP) und Autor der Expertise.

„Die durch Ausschreibungen entstehenden zahlreichen Hemmnisse und Markteintrittsbarrieren dürften die meisten Bürger vor Ort davon abhalten, überhaupt noch neue Projekte zu entwickeln. Damit wären viele Bürgerenergieprojekte gescheitert, bevor sie überhaupt gestartet sind“ sagte Marcel Keiffenheim, Aufsichtsrat des Bündnis Bürgerenergie e.V. „Um bei der Umstellung auf Ausschreibungen erhebliche Nachteile für Bürgerenergieakteure gegenüber großen Marktplayern zu vermeiden, ist eine Abweichung vom Ausschreibungsprinzip für kleine Projektträger nötig. Dies ist gemäß der Vorgaben der EU-Kommission in ihren Beihilfeleitlinien für Energie und Umwelt EU-rechtskonform umzusetzen.“

„Die Bundesregierung ist gemäß EEG 2014 gesetzlich dazu verpflichtet, den Umstieg auf Ausschreibungen nur dann zu vollziehen, wenn Bürgerbeteiligung und Akteursvielfalt dabei nicht auf der Strecke bleiben. Sigmar Gabriel hat dies persönlich als Ziel seiner Politik ausgegeben“, sagte Dr. René Mono, Vorstand des Bündnis Bürgerenergie e.V. „Wenn das Bundeswirtschaftsministerium dieser Maßgabe bei seinen Vorschlägen zur EEG-Reform nicht folgt, setzt es wissentlich die Existenz der Bürgerenergie und damit den Erfolg der Energiewende aufs Spiel.“

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